Politzyklus hebt die Phasen der politischen Entscheidungsfindung hervor
Mit dem Politzyklus kennt die Politikwissenschaft ein universell anwendbares Modell, das die Verflechtungen, Wechselwirkungen und Synergieeffekte zwischen den Segmenten Problem bzw. Konflikt, Aushandlung bzw. Beurteilung und Lösung bzw. Entscheidungsfindung sowie Reaktionen demonstriert und das Prinzip politischer Entscheidungsprozesse offenlegt. Als Katalysator für das Konstrukt fungiert die Frage; welche konkreten Probleme und Konflikte hat die Politik zu lösen und stoßen die erarbeiteten Problemlösungen neue Konflikte und Problemfelder an.
Basis für das Modell ist demnach die objektive Problemwahrnehmung, die zwingend nach Objektivität verlangt und den Weg für eine sachliche Analysefähigkeit ebnet. Hierfür erfordert es unbedingt ein zielgerichtetes sozialwissenschaftliches Verstehen, wobei die Fragestellung; “ was ist?“, im zentralen Mittelpunkt steht und ein objektives Sachurteil begünstigt. Anknüpfend an diesen Prozess folgt das Prinzip der Aushandlung, das sich auf eine objektive Beurteilung der konkreten Sachlage stützt und die Frage; “ was ist möglich und lässt sich realisieren?“, beleuchtet. Im Zuge dessen gelingt eine Urteilsbildung, die auf den Schritten Anbahnung, Manifestation und daran anknüpfender Vertiefung der jeweiligen Werturteile basiert. Neben der Urteilsbildung dient die Phase, in deren Mittelpunkt etwaige Konfliktlösungen und zugehörige Konzepte stehen, der Auseinandersetzung und Aushandlung umstrittener Urteile und Vorurteile.
Dynamisches Konstrukt, das im Einzelfall eine potentiell endlose Kette aus Analyse, Entscheidung, Handlungsschritten zur Problemlösung und Reaktionen in Gang setzt
Diesem Prozess schließt sich die Entscheidungsfindung an. Intention dieser Phase ist es, realistische Lösungen explizit zu benennen und mit Hilfe von objektiver Urteilsbildung und Partizipation praxisorientierte Handlungsschritte zu erarbeiten, die das entsprechende Problem bzw. den initialen Konflikt nachhaltig aushebeln.
Die einzelnen Abschnitte, die das Modell des Politzyklus formuliert, besitzen fließende Übergänge, sodass die unterschiedlichen Phasen in einer dynamischen Wechselwirkung miteinander stehen. Gegenstand des Konstruktes Politzyklus ist demzufolge ein Dreischritt bzw. Dreiklang der Fragestellungen;
Was ist der situative Ist- Zustand ?
Was ist theoretisch und praktisch möglich, um das gegenwärtige Problem bzw. den Konflikt effektiv auszuhebeln?
Welche Handlungsschritte sind zwingend erforderlich, um eine diesbezügliche Änderung herbeizuführen?
Da die einzelnen Schritte zur Problem- und Konfliktlösung einzelfallabhängig potentiell neue Kontroversen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen initiieren können, schließt sich einem Durchlauf des Modells mitunter ein erneuter Durchgang des Politzyklus an. Ist das behandelte Problem etwa im Nachgang an die Zirkulation durch die einzelnen Phasen des Modells nicht final beseitigt oder sind diesbezügliche Fragen im Nachgang an die letzte Phase offengeblieben, gelangen entsprechende Probleme und Konflikte erneut auf die politische Agenda.
Im Extremfall dienen die getroffenen Maßnahmen zur Problembewältigung demnach als anhaltende Motoren für den Zyklus, weshalb dieser abermals zu durchlaufen ist. Bestimmte Probleme halten die Politik und die jeweiligen Entscheidungsträger deshalb dauerhaft in Atem. Exemplarisches Beispiel hierfür ist etwa die Zuwanderungspolitik, die permanent neue Themenfelder eröffnet, die es im Sinne des Kollektivs zwingend durch die Politik zu lösen gilt. Gemäß dem Modell ist Politik daher als Instrument zu verstehen, das fortwährend mit der Konflikt- und Problemlösung beschäftigt ist.
Modell macht die politische Wirklichkeit greifbar
Den Startschuss für den Zyklus bildet die objektive Registrierung eines gegenwärtigen Problems oder Konfliktes. Im Nachgang folgt die kollektive Auseinandersetzung darüber, was theoretisch zu tun ist, um den problembeladenen Ist- Zustand zu beenden. Öffentliche Diskussionen und Debatten auf Kreis-, Stadt-, Landes – und Bundesebene befeuern diesen Prozess. Mit ihrer Fähigkeit Meinungen unterstützt durch Berichterstattung potentiell zu färben und zu beeinflussen, nehmen die Medien im Zuge dieser Zyklusphase eine Sonderstellung ein. Auf Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens erfolgt eine Entscheidung, die praxisorientierte Lösungsschritte in die Praxis überführt und konkrete Handlungen zur Beseitigung des jeweiligen Problems in Gang setzt.
Im Anschluss folgt eine öffentliche Bewertung der Entscheidung. Im Rahmen dessen formuliert das Kollektiv Leitfragen, die beispielsweise die Machtmittel der an der Entscheidungsfindung beteiligten Akteure analysieren und kritisch hinterfragen welche ihrer spezifischen Interessen die einzelfallabhängige Entscheidung potentiell beeinflusst haben. Zudem stellt der Diskurs die Frage wer sich bei der Entscheidungs- und Lösungsfindung konkret durchgesetzt bzw. nicht durchgesetzt hat und welchen Vorteil, die entsprechenden Akteure aus diesem Zustand objektiv und perspektivisch ziehen.
Greifen die Maßnahmen zur Problemlösung tatsächlich nicht, um den Konflikt nachhaltig auszuräumen, oder ergeben sich anschließend an die Realisation der Lösungsschritte neue Problemfelder, zieht dies spezifische Reaktionen nach sich, die den Zyklus erneut beginnen lassen.
Neben der Zuwanderungspolitik stoßen Energie– und Umweltpolitik konstant neue Zyklen an. Befeuert von entsprechenden Themenfeldern kommt das Konstrukt, das die Synergieeffekte zwischen Problem, Auseinandersetzung, Entscheidung, kollektiver Bewertung der Entscheidung und Reaktionen darlegt, potentiell niemals zum Erliegen.